Bio-Poulets aus dem Entlebuch zum Teilen | Kuhteilen.ch

Bio-Poulets aus dem Entlebuch zum Teilen


Bio-Poulets aus dem Entlebuch zum Teilen

Erschienen am 25. November 2021 die grüne, Dominique Eva Rast http://www.diegruene.ch Bilder Copyright: Pia Neuenschwander

 

Kuhteilen und Poulets? Was anfangs etwas verwirrend klingt, wird bald klar: Die Website www.kuhteilen.ch setzt auf das Prinzip, dass ein Tier erst dann geschlachtet wird, wenn es komplett verkauft ist. Das ist bei einem Rind naturgemäss etwas später der Fall als beim Poulet, doch auch da kann es sein, dass sich die Konsumentin gedulden muss.

Fredy Stalder schlachtet seine Bio- Poulets im luzernischen Wiggen nämlich erst, wenn er die Tiere für schwer genug befindet. Das ist frühestens nach 12 Wochen, manchmal aber auch erst nach 15 Wochen der Fall. Bis dann tummeln sich die Tiere im und neben dem Stall des Betriebs Rothenfluh 2, auf einer umzäunten Weide, aber auch auf dem Parkplatz vor dem Haus.

Sein Betrieb liegt im hügeligen Entlebuch, das Wohnhaus mit dem ehemaligen Kuhstall und der zum Hühnerstall umfunktionierte Schweinestall sind umgeben von herbstroten Heidelbeer-Sträuchern, steilen Wiesen und prächtigen Obstbäumen.

Hinter kuhteilen.ch stehen Gründer Moritz Maier (37) und sein Co-Geschäftsführer Adrian Lerch (43). Stalder und Maier arbeiten seit 2017 zusammen. Auf Vertrauensbasis, so, wie es Stalder mit all seinen Partnern hält: «Wir rufen einander an, das klappt bestens.»

Flexibilität ist eine von Stalders Stärken. So etwa am Montag vor dem Besuch von «die grüne», erzählt Maier: «Kurzfristig kam noch eine Bestellung. Weil wir wissen, dass Fredy am Montag schlachtet, haben wir angerufen.» Und Maier hatte Glück: «Ich konnte gerade noch drei Poulets aus dem Stall holen und schlachten», sagt Stalder.

Fredy Stalder hat keine Abnahmeveträge und will auch keine Stalder (63) braucht und will keine Abnahmeverträge. Einen Teil seiner Poulets liefert er zum Beispiel an den Gastronomen John Revilla, der für sein Catering- und Private Cooking- Unternehmen «Artisst» in Zollikofen BE unter anderem Geflügel mit Füssen verwendet. Auch an die Burgrain-Stube in Alberswil LU liefert Stalder Poulets. Andere Poulets gehen an Brasilianerinnen, Portugiesen oder Tailänderinnen, für die Stalder auch Innereien, Füsse und Blut der Tiere mitliefert.



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Stalder holt etwa alle drei bis vier Wochen jeweils 300 bis 500 Eintagesküken bei der Bibro in Sempach Station ab. Die ersten drei Wochen sind die Tiere im Stall, wo sie auch eine Wärmelampe haben. Danach dürfen die Tiere raus. Die ersten zwanzig Poulets kamen 2011 auf den Hof, seither hat Stalder den Betriebszweig stetig aus- und aufgebaut.

Weichen mussten dafür 2016 die Schweine. Stalder hatte eine Wollschwein-Landrasse-Kreuzung gezüchtet, konnte aber wegen den Ammoniak-Reduktions-Vorgaben des Kantons Luzern seinen Stall nicht wie gewünscht ausbauen.

Im hofeigenen Schlachthaus ist am Montag Metzg-Tag: Jeweils früh am Montagmorgen gehen Stalder, seine Frau Aida (42) und ihr Sohn Frank (24) in den Stall, legen die Poulets in Kisten und tragen sie in den hofeigenen Schlachthof, der nur wenige Meter vom Stall entfernt ist.

Aida Stalder ist die Chefin der Verarbeitung, sie weiss genau, wie ein Poulet zerlegt wird und Schenkel zu Steaks ausgebeint werden. Die verarbeiten Stücke lagern zwei Tage im Kühlraum und werden dann verschickt oder abgeholt.

Die Lagerung sei wichtig, sagt Stalder: «Ein frisch geschlachtetes Huhn wird beim Kochen zäh.»

Sinnvoll zusammenarbeiten statt übermechanisieren: Stalder hat auf seinem Biohof neben den Poulets 500 Hochstamm-Obstbäume, Heidelbeeren und drei Grossvieheinheiten Rinder. Was auffällt: Auf dem Hof steht nur ein ganz kleiner Traktor. Den braucht Stalder für seine Heidelbeeren. «Ich finde, wir sind in der Schweiz völlig übermechanisiert. Was ich an Maschinen brauche, miete ich bei meinem Nachbarn.» Das habe für beide nur Vorteile: Stalder muss sich nicht um Service und Unterhalt kümmern, der Nachbar kann seine Maschine besser auslasten.

Sinnvoll zusammenarbeiten: Das liegt auch Maier und Lerch am Herzen. Die beiden wollen Produkte verkaufen, die eine Geschichte erzählen. Bei jedem Tier, das auf der Website zum Verkauf steht, ist ein Bild, bei den Rindern ist die Ohrmarke des Tieres vermerkt. In Wort und Bild erfährt der Konsument also, wen er isst und woher das Tier stammt. Kuhteilen arbeitet mit ausgewählten Produzenten und Verarbeitern zusammen und hat sich seine Marktstellung gesichert.

Bild Copyright: Pia Neuenschwander

Wie schafft es Maier, dass sein Konzept nicht kopiert wird? Er überlegt: «In erster Linie wollen wir uns durch Qualität von der Konkurrenz abheben.» So gebe es gewisse Produkte nicht das ganze Jahr. Maiers Firma lebt also davon, dass sie ihrer Philosophietreu bleibt.

Gute Qualität als Schutz vor Konkurrenz bei kuhteilen.ch Moritz Maier besteht nicht auf Exklusivität: «Wenn ein Produzent seine Tiere auch auf anderen Wegen vermarktet, legen wir ihm keine Steine in den Weg.» Worauf er aber besteht, ist auf gute Qualität. Denn seine Kundinnen und Kunden zahlen einen fairen Preis von dem alle etwas haben. Dabei ist das Fleisch nicht viel teurer als beim Grossverteiler. Die Philosophie ist: «Wir möchten, dass die Leute weniger Fleisch essen, dafür bewusst und von guter Qualität.»

Den Produzenten zahlt er Preise, die für beide stimmen, für den Konsument schlägt er eine Marge drauf: «Machen wir uns nichts vor, auch wir sind gewinnorientiert.»

Und rechnen kann der studierte Betriebswirt und Informatiker garantiert. Kuhteilen.ch ist eine von drei Firmen, die er führt. Adrian Lerch entlastet ihn nun als Co-Geschäftsführer, denn Ideen haben die beiden zur Genüge: So gibt es neben Wildschwein im Herbst ab und zu auch Emmentaler Kaninchen. Die beiden sind offen für neue Rassen, so wird manchmal sogar ein Schweizer Bison oder Alpen Yak geteilt. «Meistens nehmen wir zum Beispiel bei Rindern mal eins auf und dann entscheidet der Konsument», so Lerch.

Eigene Futtermischung für die Entlebucher Bio-Poulets

Fredy Stalders Poulets stossen bei den meisten auf Anklang: «Ich hatte aber auch schon eine Kundin, der die Konsistenz und der Geschmack nicht gefallen hat.» Denn die langsam wachsenden Tiere haben ein eher rötliches Fleisch. Stalder füttert sie mit einer Mischung, die in der Mühle Wicki in Schüpfheim LU extra für ihn gemischt wird. Nach einer Rezeptur, die Stalder mit einem befreundeten Agronomen von der Vital AG in Oberentfelden AG entwickelt hat. «Übrigens habe ich auch mit der Mühle keinen Vertrag», sagt Stalder und lächelt.

Seine Art des Geschäftens ist ungewöhnlich, funktioniert aber: «Zu Beginn bestand mein Einkommen zu 80 Prozent aus Direktzahlungen. Heute sind es noch 30 bis 40 Prozent.» Wenn es um die Agrarpolitik geht, wird der Stalder ernst und auch bestimmt. «Direktzahlungen fördern die Eigenverantwortung nicht», sagt er.

Lieber mehr Markt als strikte kantonale Vorgaben

Stalder wünscht sich mehr Markt und fühlt sich eingeschränkt: Die Vorgaben im Kanton Luzern heissen für ihn, dass er kein mobiles Hühnerhaus auf der Weide errichten kann, ohne 20 Prozent Ammoniak zu reduzieren, sprich seinen Tierbestand zu verkleinern. Guckt er aus dem Fenster, sieht er auf den nächsten Hügel, der im Kanton Bern liegt: Dort wäre sein Bauwunsch möglich. Auch die Baubewilligung für den Schlachthof war kein Spaziergang: Stalder hätte ihn gerne freistehend gehabt. Am Ende hat er im Jahr 2016 den Kuhstall zueinem kleinen Schlachtlokal mit Kühlraum umgebaut.

Bei der Frage nach Zukunftsplänen schweigt er lange. Sobald er das Pensionsalter erreicht, wird wohl seine Frau Aida den Betrieb übernehmen, denn weder seine Kinder aus erster Ehe noch Aidas Sohn möchten einsteigen. Zurück nach Brasilien, ins Heimatland seiner Frau? Stalder ist unsicher. Nach der Lehre hat der Meisterlandwirt auf verschiedenen Betrieben gearbeitet, 1993 übernommen und parallel ein Landesproduktegeschäft zur Vermittlung von Futtermitteln geführt.

1999 hat er den Betrieb verpachtet und sich seinen Jugendtraum erfüllt und ist durch Argentinien und Brasilien gereist, wo er Aida kennengelernt hat. Im Jahr 2007 kehrte er in der Schweiz zurück. Irgendwann stellt sich dann die Frage, wo das Paar leben möchte. 2008 entschlossen sie sich fürs Entlebuch, Stalder hatte den Hof in der Zwischenzeit wieder selber übernommen. «Man muss mit den Steinen mauern, die man hat», sagt er, ohne die Frage abschliessend zu beantworten.

Bild Copyright: Pia Neuenschwander

Bei den Verantwortlichen für kuhteilen.ch sieht die Zukunft ruhiger aus: «Natürlich wollen wir unsere Prozesse stets besser machen und wie wohl jede Firma wachsen», sagt Lerch. Aber grundsätzlich wollen die beiden ihrer Philosophie treu bleiben. Das heisst auch, dass sie mit ihren Produzenten neue Linien ausprobieren und aufbauen, wenn diese auf Anklang stossen. 

Autor Dominique Eva Rast
Publiziert am Donnerstag, 25. November 2021
Bilder Copyright Pia Neuenschwander

 



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